Kvadrat - das ist für Modedesignerin Elena Zvereva,
wie sie mit bürgerlichem Namen heißt, mehr als nur ein Wort. Kvadrat ist der
Name, den sich die gebürtige Russin während ihres Studiums in Moskau gegeben
hat. Im asiatischen Raum, so die Künstlerin, bedeutet er soviel wie Erde und
Logik.
„Erdisch denken bedeutet nicht niedrig zu denken,
sondern logisch zu denken.“
Eine gewisse Härte strahlt er auch aus, doch davon
ist an der Person Lena K. bei unserem Treffen in ihrem neuen Shop in der
Neubaugasse nicht viel zu sehen. Im Gegensatz zu ihren Ideen und dem
Durchsetzungsvermögen, welches die Wahlwienerin an den Tag legt, wirkt Lena
sehr gediegen und ruhig, fast schon „therapeuthisch“.
Eine „Mode-Therapie“ möchte die Designerin auch mit
ihren KundInnen machen.
„70% der Informationen kommen vom Kunden, nur 30%
von uns“,
sagt die Modeexpertin und was sie meint ist schnell
erklärt.
Die Kunden haben alle etwas gemeinsam, sie kommen
mit einer eigenen Persönlichkeit ins Geschäft. Was sie kaufen möchten, wissen
sie im Prinzip selbst, doch manche sind sich dessen nicht bewusst. Kvadrat und
ihre Mitarbeiterinnen, die selber die Kleidung von Lenas Label „art point“
tragen, gehen auf die KundInnen zu, erklären welche Ideen hinter der Garderobe
stecken. Es geht in erster Linie um die Kunden und ihre Wünsche, nicht darum
die Leute davon zu überzeugen, dass sie konsumieren müssen. Die Verkäuferinnen
im Shop, hin und wieder ist Lena eine von ihnen, sind Ansprechpartnerinnen. Sie
erklären, stellen Fragen, gehen auf die Personen ein, anstatt sie mit
Komplimenten zu überschütten. Ist sich jemand nicht sicher, so fragt Lena
gerne: „Was passiert jetzt in Ihrem Leben? Was befindet sich momentan in ihrer
Garderobe? Was möchten Sie mit Ihrer Kleidung ausdrücken?“, dadurch wird vielen
die Entscheidung leichter gemacht.
„Wir dürfen nicht persönlich antworten. Sie
brauchen unsere Meinung nicht.“
Lena ist wichtig, dass die Leute zufrieden sind mit
ihrer Wahl, denn ein Ziel Kvadrats ist es, den Umtauschprozess zu stoppen.
„Meistens gelingt uns das. Es ist gut, wenn die
Leute nicht wieder kommen, um etwas umzutauschen, das heißt sie sind zufrieden
mit dem, was sie gekauft haben. Die Menschen brauchen keine Komplimente.
Stellen wir die richtigen Fragen, so wird die Entscheidung klar, da die Kunden
merken warum ihnen etwas gefällt und weshalb sie es haben möchten.“
Fragen stellt Kvadrat ohnehin gerne. Ihre gesamte
Linie ist darauf aufgebaut – und das zieht sich mittlerweile bis zur Aufteilung
ihres Shops in Wien durch. Dieser ist nämlich in einen künstlerischen und einen
kommerziellen Bereich geteilt. Durch den Umzug von der Westbahnstraße in die
Neubaugasse ist der Platz dafür vorhanden und seit der Neueröffnung des Shops
am 2. August 2010 kann sich die Modedesignerin besser entfalten.
Treten wir durch die Tür des Ladens in der
Neubaugasse, so stehen wir direkt im Verkaufsraum. Wir sehen uns um und
entdecken ein durchsichtiges Element im Boden, das den Blick zu den
Schnittzeichnerinnen frei legt. Ein wenig fremd wirkt dies schon, schließlich
hat man einen Einblick in die Produktion in solcher Form und überhaupt selten
gesehen. Oft ist dies gar nicht möglich, denn die größten Konkurrenten
produzieren in Massen. Lena nicht. Zwar gibt es die Stücke nicht bloß jeweils
ein Mal, doch wirken sie trotzdem wie Unikate, vor allem im Ausstellungsraum.
Eine Treppe führt uns dorthin. Ganz in weiß
gehalten wirkt er sehr museal. Im Prinzip gibt es dort dasselbe, wie im
Verkaufsraum, doch ist die Inszenierung eine andere. Was macht etwas zum
Ausstellungsobjekt? Weswegen ist es plötzlich nicht mehr Alltäglich? - Bringen
wir die Dinge in einen anderen Zusammenhang, so haben sie für uns eine andere
Bedeutung und im neuen Blickwinkel tun sich Fragen auf, die zum Nachdenken
anregen. Was heute noch getragen wird, ist morgen schon aus dem Kreislauf des
Nutzgegenstandes herausgenommen. Was ist nützlich, was nicht mehr? Was
besonders? Wo liegt der Unterschied?
„Ich arbeite stets mit kleinen Irritationen. Ganz
leisen Irritationen.“
Lena versucht die Gesellschaft zu reflektieren, zu
hinterfragen warum etwas ist, wie es ist und es nicht einfach hinzunehmen. Sie
bringt Dinge wie einfache Krawatten in einen neuen Zusammenhang und die Leute
wundern sich. Es erinnert sie an etwas, was sie jedoch in solcher Form nicht
kennen. Dies wirft Fragen auf, ermöglicht Kommunikation.
„Die Leute werden wegen unserer Produkte
angesprochen, das passiert bei Marken wie Louis Vuitton nicht mehr, dort ist
klar woher sie kommen.“
Wir lesen einander sofort, in der ersten Sekunde.
Mode gibt Auskunft über unseren sozialen Status, die finanzielle Situation und
den intellektuellen Kontext in dem wir uns bewegen. Die Kombination der Mode,
also die Menschen, die Mode kombinieren, machen die Aussage, nicht unbedingt
die Mode selbst.
Beispielsweise ist der „Kragen-Schal“ aus der Serie
>>Two Sleeves & One Collar<< ein besonders bemerkenswertes
Accessoire mit vielen Gesichtern:
Ein Kragen und zwei Ärmel ergeben einen Schal, der gleichermaßen von
Damen und Herren getragen werden kann. Der früher typisch männliche Hemd-Kragen
und die dazugehörigen Manschettenknöpfe werden miteinander verbunden und neu
inszeniert. Lena reißt diese einst sehr männlichen Attribute aus ihrem
historischen Kontext, inszeniert
sie neu. Egal ob als Ersatz zur Krawatte für den Herren oder als modischer
Hingucker für die Dame, der „Kragen-Schal“ eignet sich für jeden Anlass ohne
„overdressed“ zu wirken, zieht die Blicke aber definitiv auf sich.
art
point_vienna // Lena
Kvadrat
Neubaugasse 35, A-1070 Vienna, Austria
tel.: +43 1 5220425
fax: +43 1 2362325-9
email: kontakt@artpoint.eu
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